Fahrleistungen, Drehmoment und Leistung
Die vielen Gerüchte, Halbwahrheiten und Fehlinformationen, die ich fast täglich in Foren lese haben mich veranlasst einen kleinen Artikel als Aufklärung über diese Begriffe zu schreiben.
Hier will ich Aufschluss über Stammtischsprüche und alte Weisheiten geben, möglichst so, dass es einfach jeder versteht und ihr etwas zum lesen habt.
„Weisheiten“ wie: „Es ist das Drehmoment, was Dich in den Sitz drückt.“ und „Benziner sind schnell, aber Diesel fahren Dir beim Beschleunigen davon!“ werden jetzt mal zerlegt.
Zunächst mal:
Was ist überhaupt bei einem Auto erstrebenswert?
Im Grunde kann man Fahrleistungen in 3 Kategorien gliedern.
1. Querbeschleunigung
2. Längsbeschleunigung
3. Endgeschwindigkeit
Jeder hat da seine Vorlieben, was ihm am meisten Spaß macht. Ich persönlich finde Querbeschleunigung reizvoll, vor allem aber die Längsbeschleunigung treibt mir Grinsen ins Gesicht. Die Höchstgeschwindigkeit ist mir ehrlich gesagt wurscht, da mir alles oberhalb 200 km / h keinen Spaß bereitet und mehr als 160 km / h auf der Autobahn eh nur noch selten möglich ist, aber viele wollen eben ein Auto, wo es zumindest reicht eine hohe Maximalgeschwindigkeit in den Papieren stehen zu haben.
Auf Querbeschleunigung werde ich nicht näher eingehen, da mir selbst noch manche Fragen in dem Gebiet offen stehen.
Kommen wir zur Längsbeschleunigung. Im ernst, wer findet es nicht geil in den Sitz gepresst zu werden, zu merken wie die rohe Kraft des Motors an einem reißt, wie die Reifen um Gnade schreien und innerhalb eines Augenblicks ist man im dreistelligen km / h -Bereich?
Doch wie erreiche ich als Autokonstrukteur oder Tuner dieses Ziel? Ist doch ganz einfach… Man baut einen großen Motor in das Auto, richtig? Naja, zumindest ist es schon mal ein guter Anfang.
Ausschlag gebend ist ein Stichwort, was in einem der oberen Sätze schon mal gefallen ist: Die Beschleunigung.
Beschleunigung ist vereinfacht gesagt das, was uns in den Sitz presst. Das gilt im übrigen natürlich auch für die Querbeschleunigung.
Doch was ist Beschleunigung überhaupt? Beschleunigung ist definiert als „Kraft pro Masse“.
a = F / m
a = Beschleunigung
F = Kraft
m = Masse
Aha! Die Beschleunigung hängt also direkt mit der Kraft, mit der das Fahrzeug angetrieben wird und dessen Masse zusammen. Außerdem sehen wir, dass die Beschleunigung proportional zu Kraft und zum Kehrwert der Masse ist. Verringern wir also das Kampfgewicht unseres geliebten E39 um 10%, haben wir den gleichen Effekt in der Beschleunigung, wie eine Erhöhung der Antriebskraft um 10%. Dies gilt natürlich nur solange wir die Fahrtwiderstände, wie z.B. Luftwiderstand, Rollwiderstand etc. vernachlässigen, aber ich behaupte mal im 0-100 km/h Sprint haut diese Annahme schon sehr gut hin!
Wie setzt sich aber die Antriebskraft genau zusammen? Das ist nicht ganz so einfach auf die Schnelle zu beantworten, da wir Unter-/ Übersetzungen und einzelne Gänge zwischen Motor und Hinterrädern haben.
Lassen wir also zum Anfang mal das Differential und Getriebe außer acht und tun so als hätten wir einen fixen Gang mit einer 1:1 Übersetzung an die Hinterachse. Unsere Hinterräder drehen sich jetzt mit Motordrehzahl.
In diesem Fall entspräche das jeweilige Drehmoment des Motors dem anliegenden Drehmoment an den Hinterrädern. Da wir uns aber bewegen wollen und nicht auf der Stelle stehend mit einer gewissen Kraft gegen den Asphalt drücken wollen brauchen wir eine bestimmte Arbeit, um die Bewegung auszuführen. Diese Arbeit ist wie folgt definiert:
W = F * s
W = Arbeit
F = Kraft
s = Strecke
Sie steht im Zusammenhang mit der Leistung wie folgt:
P = W / t
P = Leistung
W = Arbeit
t = Zeit
Wir können nun „W = F * s“ in „P = W / t“ einsetzen und erhalten:
P = (F * s) / t
Nun stellen wir die Formel nach der Antriebskraft um und erhalten folgende Aussage:
F = P * t / s
Schön und gut, jetzt haben wir ein wenig im Kreis herum gerechnet, aber was sagt das überhaupt aus???
Ganz einfach! Wir sehen, dass Die Antriebskraft (und damit die Beschleunigung) mit der Leistung des Motors zusammenhängt!
Es taucht kein Drehmoment oder was auch immer in dieser Gleichung auf! Es ist tatsächlich die Leistung des Motors, die für waagrechte Tränen der Ergriffenheit bei der Beschleunigung verantwortlich ist.
Leistung ist proportional zu Kraft und Kraft ist proportional zur Beschleunigung.
Anhand dessen dürfte sich nun auch klären, warum Autos mit einem hohen Leistungsgewicht so abgehen.
Klasse, der 528i mit 193 Ps beschleunigt also ganz genau so wie der 530d mit 193 Ps, richtig? FALSCH!!!
Doch woran liegt das?
Zunächst mal ist festzuhalten, dass beide Autos Getriebe haben und somit ihre Drehzahl variieren können. Außerdem sind die 193 Ps bei beiden Autos eine Maximalangabe, das heißt, dass die jeweiligen 193 Ps nur bei genau einer Drehzahl anliegen. Davor und danach kann (und wird in der Praxis) die Leistung eine ganz andere sein.
Um eine treffende Aussage machen zu können müssten wir uns also die Leistungskurven der beiden Autos auf den Tisch legen und sie miteinander vergleichen.
Nehmen wir mal an beide Autos wollen in einem Gang von 50 km / h auf 70 km / h beschleunigen. Der Diesel startet dann bei 3000 U / min und endet bei 4200 U / min, der 528i startet bei 4000 U / min und endet bei 5600 U / min. Jetzt müssten wir also wissen wie viel Leistung der 530d bei 3000 U / min hat und wie viel Leistung der 528i bei 4000 U / min hat um sagen zu können, wer beim Start die größere Antriebskraft hat. Doch wie groß ist die Antriebsleistung nun bei 3001 U / min? Oder 4162,384 U / min?
Da wir nicht die Leistung an einer million Drehzahlpunkte ablesen und addieren wollen, integrieren wir einfach die Funktion der Leistung um den Flächeninhalt der Leistung der beiden Motore bestimmen und miteinander vergleichen zu können.
Beziehen wir das Getriebe mit ein muss man für eine Beschleunigung durch mehrere Gänge einfach die Leistung der Drehzahlbereiche in jedem Gang berechnen.
Zum Beispiel:
1. Gang: Leerlauf-6500 U / min
2. Gang: 3800-6500 U / min
3. Gang: 4200-6500 U / min
4. Gang: 4700-6500 U / min
5. Gang: 5100-6500 U / min
Zusammenfassend haben wir an diesem Punkt schon folgendes erkannt:
Leistung ist bestimmend für Beschleunigung.
Die Leistung variiert bei jeder Drehzahl.
Die Maximalleistung eines Motors ist nur die Spitze des Eisbergs und sagt deswegen nicht viel über die Fahrleistungen des Autos aus.
Ein Getriebe erlaubt uns beim Beschleunigen immer im Bereich der Maximalleistung zu bleiben.
Haben wir ein Motorsportgetriebe oder ein Getriebe der 8hp Generation etc. mit enger abgestuften Gängen können wir den Drehzahlbereich in dem wir uns beim Beschleunigen bewegen verkleinern und rücken somit immer näher an die Maximalleistung. Je mehr Gänge wir haben, desto eher muss der Hersteller wiederum auf Schaltzeiten achten. Die beiden folgenden Grafiken sollen einen Schaltvorgang zeigen. In der ersten Grafik fällt die Drehzahl weit mehr ab, als in der zweiten Grafik. Man sieht auf einen Blick, dass die Motorleistung nach dem Schaltvorgang in Bild 1 geringer als in Bild 2 ist. Das Getriebe mit den engeren Gangabstufungen in Bild 2 ist also für die Beschleunigung deutlich von Vorteil.
Da sich nun viele fragen werden, wo das Drehmoment bleibt, werde ich darauf nun eingehen.
Ganz einfach lässt sich sagen, dass die Leistung ein Produkt aus Drehzahl und Drehmoment ist.
P = n * M * 2 * pi
P = Leistung
n = Drehzahl
M = Drehmoment
Das Drehmoment drückt eine Kraft aus, die auf einen drehbar gelagerten Arm wirkt. Um ein Drehmoment zu erzeugen muss sich also nicht einmal etwas drehen.
Zu sagen, ein Auto hätte „viel Drehmoment“ ist also zum Prinzip erhobener Quatsch. Was damit gemeint ist, ist dass der Motor bei einer bestimmten Drehzahl eine hohe Leistung hat. Meistens ist mit „viel Drehmoment“ gemeint, dass der Motor in unteren Drehzahlen, also schon sehr früh eine hohe Leistung hat, was zu geringem Verbrauch beiträgt und Schaltfaules Fahren begünstigt. Aus konstruktiven Gründen ist es außerdem meist so, dass Motore mit einem im Verhältnis zur Maximalleistung hohen Maximaldrehmoment dass maximale Drehmoment in unteren Drehzahlbereichen angesiedelt haben. Das kann so sein, muss aber nicht! Der M57D30 hat z.B. ab 1800 U / min sein volles Drehmoment.
1800 U / min sind für einen S65B44 Motor mit maximal 8400 U / min aber gerade mal 21 % der maximalen Drehzahl. Bei einem Diesel mit maximal 4500 U / min sind es immerhin 40% der maximalen Drehzahl.
Fairer weise müsste man also das Drehmoment des S65B44 bei 3360 U / min (40%) gegenüber dem M57D30 bei 1800 U / min (40%) vergleichen.
Bedenkt man, dass der S65B44 laut Werksangabe sein maximales Drehmoment bei 3750 U / min erreicht liegen die Punkte der maximalen Drehmomente also im Verhältnis zur Maximaldrehzahl erstaunlich nahe beieinander! Der große Unterschied ist natürlich, dass der S65 sein maximales Drehmoment möglichst lange beibehält. Man liest so häufig, dass die S65 Motorengeneration „Drehmomentschwach“ sei, obwohl der S65B40 zum Beispiel mit seinen 400 Nm Maximaldrehmoment praktisch das gleiche Drehmoment wie ein M57D30 mit 390 Nm, bzw. 410 Nm ab 1998 hat.
Wetten ich schaffe es nicht mit einem Motor, der 10.000 Nm Drehmoment hat ein Matchboxauto zum rollen zu kriegen?
Nehmen wir an, es handelt sich um einen großen Elektromotor, der ein maximales Drehmoment von 10.000 Nm bei 0,000001 Umdrehungen pro minute hat. (Ich weiß es ist übertrieben, aber es geht ja ums verdeutlichen)
Die Leistung berechnet sich aus:
P = n * M * 2 * pi. Wir rechnen unsere Angaben in Basiseinheiten um: 0,000001 U / min = 1,666*10^(-8) Umdrehungen pro Sekunde. P = 1,666*10^(-8) U / s * 10.000 Nm * 2 * pi = ca. 0,001 Watt. Das entspricht ungefähr 0,0000008 Ps!
Obwohl wir hier ein unglaubliches Drehmoment zur verfügung haben, was jeden Dieselfahrer erblassen lässt schaffen wir es kaum ein Spielzeugauto ins rollen zu bekommen.
Verallgemeinernd kann man also folgendes festhalten:
Um ein Auto geradeaus schneller beschleunigen zu lassen sollte das Leistungsgewicht verbessert werden. Außerdem sollte man versuchen die Leistungskurve im oberen Drehzahlbereich, der zum beschleunigen genutzt wird, möglichst „auszufüllen“. 500 Ps Maximalleistung bei 6000 U / min nützen mir nichts, wenn ich unter 5999 U / min und über 6001 U / min keine Leistung mehr habe.
Die Gangspreitzungen sollten optimal gestaltet werden (für die meisten eher unmöglich, im Rennsport gang und gäbe). Kleine Gangsprünge und kurze Schaltzeiten sind zu bevorzugen.
Geschafft, jetzt lasse ich euch erst mal in Frieden!
Ich bitte um Feedback!
War es leserlich? Verständlich? Hat etwas gefehlt? War der Text überladen? War der Beitrag überflüssig? War er hilfreich? Welches Thema würde euch noch interessieren?