In meinen Augen wird das Thema KGE leider viel zu stiefmüttlerlich behandelt, wenn denn überhaupt erwähnt.
Die Kurbelgehäuseentlüftung (KGE): was ist das eigentlich und wozu wird sie benötigt?
Bei der Verbrennung im Ottomotor gelangen funktionsbedingt sogenannte "Blow-By-Gase" nach der Verbrennung aus dem Brennraum an den Kolben- und Abstreifringen vorbei in das Kurbelhäuse.
Da hier ein Überdruck entstehen würde, der den Wirkungsgrad des Motors negativ beeinträchtigt, müssen diese abgeleitet werden.
Allerdings befindet sich im Kurbelgrhäuse ein leichter Motoröl-Nebel, der mit den Blow-By-Gasen austreten und damit die Umwelt verschmutzen würde.
Aus diesem Grund wird das Blow-By-Gas mit der Frischluft wieder in den Brennraum geleitet und dort verbrannt. Zum einen werden die Gase also durch den Überdruck heraus gestoßen, zum anderen werden sie sowohl beim Saugmotor als auch bei Turbolader förmlich aus dem Kurbelgehäuse heraus gesaugt.
Da wir nun alle keinen großen Motorölverbrauch haben möchten, muss von diesem Gas das Motoröl bestmöglich "abgeschieden" werden, sprich Öl und Gas müssen getrennt werden.
Aber dies ist nicht der einzige Grund!
Gerade beim Diesel bringt das Motoröl noch einige andere Ärgernisse mit sich:
- Das Motoröl gelangt vor dem Verdichterrad in den Turbolader und setzt sich somit auf der zuvor genau berechneten und bearbeiteten Geometrie ab und beeinträchtigt diese negativ
- Ist der Ölnebel einmal unterwegs, so setzt er sich in der Ladeluftleitung und dem Ladeluftkühler (LLK) ab
- Nach dem LLK erreichen wir das Ventil der Abgasrückführung (AGR) und die Druckbrücke [im Volksmund "Saugbrücke" genannt] (beim Automatikgetriebe inklusive Drallklappen). Hier kennt fast jeder den zähen "Ölschleim" der sich aus Ölnebel und Ruß aus der AGR bildet. Dieser Schleim haftet überall und verringert den Querschnitt aller Leitungen. Letztlich haftet der "Schleim" auf den Einlassventilen.
- Auf unserer Reise geht es weiter in den Brennraum. Wie sicher bekannt ist, verbrennt das Motoröl an sich schon schlecht. Da seine Oberfläche auf Grund der Bindung mit dem Öl sehr klein bleibt, wird diese Eigenschaft noch weiter herabgesetzt. Also setzt man sich halb verbrannt ab, und zwar überall dort wo sich nichts bewegt. Die Injektorspitzen sowie die Glühkerzen erscheinen hier unheimlich geeignet.
- Alles was nun noch irgendwie beweglich ist darf vorbei am Auslassventil über die Schaufeln der VTG direkt auf das Verdichterrad. Auch ein nettes Plätzchen zum Verweilen.
- Ein Bruchteil wird es danach noch bis zum Katalysator, respektive dem Dieselpartikelfilter, schaffen und sich dort nieder lassen
- Dazu wird ein gar wintziger Anteil über die AGR eine weitere Runde durch den Brennraum wählen, und
- Nur eine handvoll Öltröpfen wird den Weg in die Freiheit finden.
So lustig das nun alles klang (hoffe ich ). Das würden wir doch gern vermeiden!?
Für diese Funktion wurde die KGE mit einem Ölabscheider ausgestattet. Dies wird entweder über einen Vliesfilter oder einen Zyklon-Abscheider umgesetzt.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass ein Zyklon ebenso wenig wartungsfrei ist wie ein Vliesfilter, zusätzlich zu diesem Minuspunkt ist er auch noch weniger effizient.
Aus diesem Grund stellt selbst BMW bei aktuellen Motoren wieder auf Vliesfilter um.
Zur Erläuterung und besser Vorstellung folgt nun ein Schnittbild des Ölabscheiders innerhalb der KGE:
Wird danken der Firma MAHLE für die Bereitstellung dieses Bildes.
Noch mehr Lesestoff findet ihr hier:
http://www.kfz-tech.de/SchmierungOelabscheidung.htm
Wie man auf dem Bild sieht (und in dem Link nachlesen kann) ist hier aus Gründen des Wirkungsgrades neben den kleinen Öffnungen eine federbelastete Membrane angebracht.
Offensichtlich sind die Membrane und die Feder Schwachstellen, die verschleißen. So dass BMW im TIS anno Dezember 2006 eine Änderung bekannt gegeben hat:
VS-13 / Reiter Baugruppe / Gruppe: 00
00 05 06 (322)
Weltweit
alle Länder Datum / Date: 12/2006; Stand: 03/2007
Ändern der Lautstärke TO
M47TU1 / 2, M57, M57TU1
Situation: Ersetzen der Ölabscheider.
Hinsichtlich:
M47TU1 / 2 09 / 02-06 / 05 E46, E83, E87, E90
Ersetzen eines Doppelzyklon gemäß einer Auflösung von ETK
M57 09 / 02- (EOP) 12/03 E39, E46, E53
Umstellung auf Vlies
M57TU1 09 / 02-06 / 05 E46, E53, E60, E61, E65, E83
Ersetzen eines Doppelzyklon gemäß einer Auflösung von ETK
Aktionen:
Produkt-Qualitätskontrolle ergab, dass der Austausch der Ölabscheider bei jeden dritten Wechsel des Motoröls durchgeführt werden sollte (eigene Berechnung).
Aus diesen hoffentlich auschaulich dargelegten Gründen sollte ein jeder Dieselfahrer (und natürlich auch unsere Freunde mit Benzin im Blut! :trinken) darüber nach denken, wann er zuletzt an der KGE dran war.
Und diese ggf. zu ersetzen.
Meine Empfehlung:
- Bei jedem Ölwechsel das Vlies (Teil 15), und
- Bei jedem dritten Ölwechsel die komplette KGE-Einheit (Teil 11, Teil 15 ist enthalten!) zu ersetzen.
Dazu passend gibt es hier auch gleich die Anleitung zum Austausch der KGE.
Und das passende Video:
WICHTIGER NACHTRAG: bitte ausschließlich die originale KGE/Vlies von BMW (hergestellt von BOSCH) kaufen.
Bei Nachbauten ist das Vlies nicht so fein und die Dichtung passt nicht gut.
Die Schrauben vom Gehäuse sind sehr weiche, das Sechskant nicht mittig und viel zu flach.
Nicht nur nach meinen Erfahrungen lohnt sich hier sparen nicht. Letztlich hängt das Leben vom Turbo dran..
2020-10-29: Kleines Update.
Hier mal Beispielbilder wie ein hochgelobter, wartungsfreier Zyklon nach 230tkm aussieht. Der Zyklon war in einem E83 20d (M47N2), der Motor hat kaum Leistung, DPF voll und 0,5l Öl auf 1000km.
2022-04-11
NACHTRAG: IM Anhang findet ihr ein Schnittbild der gesamten KGE, welche sich zum Teil fest im Ventildeckel befindet.
Das Vlies (oder der Zyklon) ist letztlich nur der Feinstfilter am Ende - aber IMHO nicht minder wichtig.